Von Kokosnüssen, Schlangen und der Vergänglichkeit des Lebens

Klosterreport: Unheilige Gedanken und müßige Betrachtungen, Teil 1

Thailand ist das Land des Buddhismus, der Mönche, der Klöster und der Touristen aus aller Welt, wo auch ich mich gerade erholen wollte. Auf einer abgelegenen Sandbank in der nähe von Krabbi erzählte mir eine Reisebekanntschaft von einem Kloster, das Meditationskurse für Neulinge anbietet, nur die Regeln seien sehr streng. Und da meine Reisebegleiterin in Kürze ihren Freund auf der Insel Koh Samui treffen wollte, dachte ich: "Da gehe ich doch lieber gleich ins Kloster". Ein folgenschwerer Entschluß.

Denn das war im Kloster alles verboten: Reden und laute Geräusche, Lesen, Schreiben, Musikhören, Rauchen, Alkohol, Unzucht - jeglicher Kontakt zum anderen Geschlecht, sogar Blickkontakt. Hastige Bewegungen waren nicht direkt verboten, aber wir sollten uns immer maßvoll benehmen. Und genau dort wollte ich auch hin, um in aller Abgeschiedenheit meditieren zu lernen und auszuspannen. Im Gegensatz zu vielen anderen, die schnell das Handtuch warfen oder im Verlaufe des Kurses sonderbare Verhaltensweisen an den Tag legten, hat es mir sogar ganz gut gefallen.

Doch schon der Hinweg war stressig. Im Bus mußte ich den dreifachen Fahrpreis bezahlen. Der Busfahrer, der vorher perfekt Englisch konnte, sprach plötzlich nur noch Thai und wollte mir mein Wechselgeld nicht zurückgeben. Ich verzichtete dann darauf, denn ich wollte ja ins Kloster und betrachtete das als meine erste gute Tat. Auch der Meditationskurs fing gleich schlecht an.

Auf dem Weg in Kloster:
Der Bus sieht freundlich aus, die Hose ist noch sauber.

Die Kleiderordnung
Nach der Klosterordnung soll die Kleidung sauber, ordentlich, bequem, leicht, undurchsichtig, und knie- wie schulterbedeckend sein. Außerdem sollten alle Unterwäsche und die Frauen BHs tragen. Kein Problem! Also wechselte ich meine durch den rötlichen Sandweg zum Meditationszentrum verstaubte Hose gegen ein bequemes wadenlanges Kleid. Denn wer will schon am ersten Tag schlecht auffallen? Dennoch mußte sich eine geplagte Seele über mich beschweren. Und zwar nicht direkt bei mir (wir durften ja nicht reden und erst recht nicht Frauen und Männer miteinander), sondern bei der Frauenkoordinatorin Kacha. Ihr war die Augabe offensichtlich peinlich, doch dann rückte sie mit der Sache heraus: Jemand habe sie gebeten dafür zu sorgen, daß ich etwas anderes anziehe - denn so könne er nicht meditieren.

Wunderbar! Dabei hatte ich wirklich darauf geachtet, mich der Kleiderordnung entsprechend zu kleiden. Die nächsten zwei Tage hatte ich größte Schwierigkeiten, gelassen zu meditieren und gut über meine Mitmenschen zu denken. Immer wieder schob sich der Gedanke nach vorne: "Welcher Schuft war das?" Besser nicht an die Pappnasen denken, lieber auf den Atem konzentrieren. Das war tatsächlich beruhigend: Tief einatmen, 1,2,3,4,5,6,7,8,9,10, kleine Pause, tief ausatmen 1,2,3,4,5,6,7,8,9,10.

Nichtsdestotrotz blieb ich empfindlich in Bezug auf die Kleidung meiner Mitmeditanten. Auf unseren Gängen in die Meditationhalle, die Frauen sitzen auf der rechten Seite, die Männer von ihnen durch einen Gang getrennt auf der linken, oder zum Essen fixierte ich die anderen und mußte mich häufig fragen: Ihr Kleid ist noch kürzer, warum beschwert sich denn da keiner?" oder wenn manche Globetrotter knallenge Leggins trugen, die auch noch bis zu den Knien hochgekrempelt waren. Es blieb mir schleierhaft. Nach diesem unglücklichen Anfang fiel es mir erstaunlich leicht, mich an das Leben im Kloster anzupassen. Reden wollte ich mit den meisten sowieso nicht, und eine kleine Denkpause schien mir gerade richtig für meine businesstrapazierten Nerven. Dabei war der Tagesablauf wirklich hammerhart:

Tagesplan im Meditationskloster Wat Suan Mokh
4.00 Wecken
4.30 Lesung
4.45 Meditation im Sitzen
5.30 Yoga oder andere Übungen
7.00 Meditation im Sitzen
8.00 Frühstück
Pause, während der ich mit fünf anderen abwaschen mußte
10.00 Dhamma Vortrag von dem verstorbenen Ajahn Buddhadhasa Bikku über Kassette
11.00 Meditation im Gehen
11.30 Meditation im Sitzen
12.00 Meditation im Gehen
12.30 Mittagsessen
Pause, während der wir meist unsere Wäsche gewaschen haben
14.30 Meditationsinstruktionen durch Ajahn Po, den Abt des Klosters, mit anschließender Meditation im Sitzen
15.30 Meditation im Gehen
16.00 Meditation im Sitzen
16.30 Meditation im Gehen
17.00 Chanting (zu Buddha beten)
18.00 Tee. In der Pause zu den heißen Quellen und Baden
19.30 Vortrag über den Buddhismus von Dr. Kossum
20.00 Meditation im Gehen
20.30 Meditation im Sitzen
21.30 Schlafhaustüren werden geschlossen

Wer das voll durchzieht, braucht gar nicht mehr zu reden, er vermißt auch keine Musik, Literatur oder Schreiberei, er ist viel zu müde dazu. Zumal man in den Pausen auch noch seine Kleidung waschen muß. Ich bin meist wie ein Stein ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen - und das, obwohl die Betten wahrlich und wahrhaftig aus Beton waren.

Essen
Meine größte Sorge war, daß ich nicht genug zu Essen bekomme. Immerhin gab es die letzte richtige Mahlzeit um 12.30. Das mußte für den ganzen Tag, die Nacht und bis morgens um 8.00 Uhr reichen. Am ersten Tag habe ich mir die Schüssel so voll gehauen, daß ich beim nächsten Frühstück immer noch pappsatt war. Mit der Zeit lernte ich es mir einzuteilen.

Morgens gab es zwei Gemüsegerichte, eines davon meist ein Curry, Reis und Papaya, dazu Tee oder einen sojamilchigen Kaffee-Ersatz. Mittags in etwa das gleiche, nur mehr: Zwei bis drei Gemüsegerichte, Reis, rohes Gemüse, Papaya oder Banane (einmal auch Ananas) und Tee. Nachmittags Tee oder verschiedene Arten von Sojamilch und kleine Bananen. An der Sojamilch hatte ich mich schon in der ersten Stunde meiner Ankunft übertrunken, als ich beim Ausfüllen der Anmeldeformulare, ausgehungert wie ich war, gleich zwei statt eines Bechers dieses nahrhaften Zeuges zu mir nahm, das mir die ganze Nacht schwer im Magen lag. Das ganze Essen war strikt vegetarisch, aber es gab da einmal zum Frühstück ein Gericht, das sah wirklich wie Grünkohl mit fettem Speck aus. Keine Ahnung, wie sie das fabriziert haben. Es bestand aus harmlosem grünen Blattgemüse mit senfgurkenähnlichen Gurken, aber mir drehte sich der Magen um. Den anderen anscheinend auch, denn das gleiche wurde uns mittags und am nächsten Morgen nochmals erfolglos vorgesetzt.

Faszinierend, zu welchen Tricks die Gier bei einigen greift: Sie verschmähten morgens Gemüse und Reis und nahmen nur von den Papayas - dafür dann aber ganze Schüsseln voll. (Mama, Mama, ich verzichte auf das Brot und esse dafür lieber Unmassen Schinken). Die hatten dann immer so einen gehetzten Hundeblick, als erwarteten sie einen Tadel. Es gab auch noch die mit den Duldermienen, deren tägliche Nahrungsration nicht einmal einen Kanarienvogel gesättigt hätte. So sahen sie auch aus: wie magersüchtige Klappergestelle.

Mir schmeckte das Essen vorzüglich, und ich kam eher runder denn schmaler aus dem Kloster heraus. Trotzdem verspürte ich während meiner ganzen Zeit dort einen Heißhunger auf Kokosnußmilch. Der war umso quälender, als die Kokospalmen überall in voller Frucht standen, und die grünen Nüsse direkt vor meinen Füßen herumlagen. Ständig überlegte ich, wie ich so ein Ding knacken könnte. Aber wir wollten ja lernen ohne Wünsche zu leben und so dem Kreislauf von Verlangen und Leid zu entgehen. So war es nur gut, daß ich keine Machete besaß. Allein schon die Freude am normalen Essen bereitete mir gegen Ende des Kurses einige Seelenpein - auch ohne diese leckere Versuchung.
Anja Böhnke

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