Von Kokosnüssen, Schlangen und der Vergänglichkeit des Lebens

Klosterreport: Unheilige Gedanken und müßige Betrachtungen, Teil 2

Meditation
Dessenungeachtet fiel mir die Meditation unerwartet leicht und bereitete mir sogar erhebliches Vergnügen. Die meiste Zeit sollten wir an nichts denken und uns nur auf unseren Atem konzentrieren: tief einatmen, bis zehn zählen, Pause, tief ausatmen, bis zehn zählen, Pause und wieder von vorne. Das Sitzen war natürlich höllisch anstrengend. Buddha sei Dank brauchten wir nicht im Lotossitz zu sitzen, aber schon der normale Schneidersitz ließ meine Beine und Füße erbärmlich einschlafen. Das gleiche galt natürlich auch für den japanischen Kniehocksitz oder den Sitz für höfliches Zuhören, bei dem die Beine zur rechten Seite nach hinten angewinkelt sind. Auch daran gewöhnte ich mich, begrüßte es später sogar, denn wenn die Beine endlich eingeschlafen sind, schmerzen sie nicht mehr so fiese. Nur beim Aufstehen wurde es dann wieder übel (wie tausend Nadeln), zumal wir nicht quieken durften, denn das hätte die Stille gestört.

In der Meditationshalle herrschte trotz der vielen Menschen eine so unglaubliche Ruhe, man hätte eine Stecknadel auf den Boden fallen gehört. Da unterbrach das Tippeln des Klosterhundes (eine Mischung aus Chow Chow und Golden Retriever, Thailands gepflegtester Hund) die Stille schon von Weitem. Er kam immer in die Meditationshalle, legte sich mit einem Seufzer irgendwo hin, um dann beim Essensläuten wieder zu verschwinden.

Vorbereitug zur Meditation: langsam füllt sich die Meditationshalle. Die Männer sitzen links, die Frauen rechts auf der anderen Seite des Ganges.

Das Schreien der Geckos konnte uns zu Meditationsbeginn einen richtigen Schrecken einjagen, besonders, wenn es direkt über unseren Köpfen erklang. Aber mitten in der Meditation, wenn nacheinander Füße, Beine und auch Hände eingeschlafen sind und der aufrechtsitzende Körper nicht zu fühlen ist, beachtet man das nicht mehr. Ich jedenfalls merkte nicht, wenn meine Nachbarinnen aufgestanden und herausgegangen waren, bevor mich des Meditationsglöckchen mit dreimaligem Schlagen wieder in den Tag zurückrief.

Am meisten freute ich mich auf die bunten Bilder, die nach einiger Zeit vor dem inneren Auge entstanden. Man mußte sich so lange auf den Atem konzentrieren und auf einen Punkt blicken, bis man bunte Bilder, Symbole oder ähnliches sah. Dann Konzentration auf die Bilder und versuchen, sie im Geiste umzuformen. Das hat Spaß gemacht. Mehrmals fiel ich aus der Konzentration, weil ich zu angestrengt versucht hatte, die Bilder umzuformen: ich bemerkte, daß ich mich dabei immer weiter nach vorne beugte, und der Bann war gebrochen. Da hilft nichts, man muß von vorne beginnen.

Immerhin erkannte ich so, daß Meditation nicht etwas großes Unbekanntes ist, daß ich und wahrscheinlich auch viele andere es schon als Kinder praktiziert haben: - im Krankenhaus vor Langeweile an eine Wand oder an die Decke starren bis bunte Bilder kommen - oder abends beim Einschlafen auf den Lichtstreifen unter der Tür starren, zur Beruhigung meiner Angst vor einem Monster oder Mörder unter meinem Bett - oder in der Schule aus dem Fenster starren ohne etwas zu denken - oder beim Essen, was meinen Eltern immer einen Schrecken eingejagt hatte, wenn ich so einen abwesenden Blick bekam - oder auf meinen geliebten Bildschirmschoner "Nirvana" starren, wobei ich einmal einen ganzen Arbeitstag verloren habe.

Die Impermanenz des Lebens
Die bunten Bilder waren toll, aber leider nur ein Schritt zum Ziel, zur Einsicht. Die letzten Tage sollten wir über die Vergänglichkeit (Impermanenz) des Lebens meditieren, und das gefiel mir ganz und gar nicht. Jeder weiß, daß er einmal sterben wird. Aber die Gewißheit auch wirklich zu fühlen und sich damit abzufinden steht auf einem ganz anderen Blatt - das ist wie in die absolute Durchblicksmaschine zu sehen, ohne dabei in Panik zu geraten. So versuchte ich über die Impermanenz zu meditieren und wurde dabei immer unglücklicher.

Bei der Meditation im Gehen unter Palmen, zwanzig Schritte hin, Pause, zwanzig Schritte zurück, hielt ich mir deshalb vor Augen: Eine Kokosnuß kann mir auf den Kopf fallen, und dann bin ich tot. Meine nächste Fähre nach Koh Samui kann sinken, und dann bin ich tot. Mein Flugzeug zurück nach Hamburg kann abstürzen, und dann bin ich tot. Eine Kokosnuß kann mir gerade jetzt auf den Kopf fallen, und dann bin ich tot. Nichts ist vorherzusehen, alles wandelt sich, es kann immer etwas unerwartetes eintreffen.

Was ich aber niemals erwartet hatte war, daß es über mir in der Palme raschelt und eine lange grüne Schlange (angeblich ungiftig) mir beinahe auf den Kopf purzelt. Sie fiel nur etwa drei Schritte neben mir auf den Boden (so ganz genau mochte ich es nicht ausmessen), blieb noch einige Zeit liegen, bis sie sich endlich davonschlich. Danach trug ich immer einen breiten Strohhut.
Anja Böhnke

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